Es ist einmal, in nicht all zu langer Zeit… VII

Die Menge hat einen Kreis um zwei Personen gebildet. Einige knien am Boden.. „Was ist denn  hier los?“, frage ich eine junge Frau, die etwas abseits steht. „Rouen und Layla wurden von einer Gruppe Faschisten angegriffen.“, sagte sie. Ich bahne mir vorsichtig einen Weg in Kreis. Die zwei Frauen sitzen auf dem Boden. Zwei Sanitäter und eine Ärztin knien neben ihnen und versorgen Prellungen und  Platzwunden. „Kann ich helfen?“, frage ich.  „Die anderen Kommunen müssen gewarnt werden. Das waren Streuner. Offenbar eine größere Gruppe.“ Die junge Frau zückt ihren Digitalen Assistenten und beginnt ein Telefonat. „Ihr müsst hier nicht zugucken.“, sage ich zu den Zuschauern. „Ist die Schutzgruppe schon draußen?“, frage ich. „Ja, die sind gerade raus.“, sie deutet auf den leeren Parkplatz. Das leise Surren eines Elektromotors kündigt die Ankunft eines Rettungswagens an. Die Sanitäter helfen den Verletzten aufzustehen und begleiten sie zum Wagen. Ich verabschiede mich und rufe im Sender an. Ich schildere den Vorfall kurz und gehe dann zu meinem Zimmer. Seit meinem Einzug vor mehr als 20 Jahren habe ich hier nicht viel verändert. Mein Zimmer hat keine Tapete. Lediglich die Wände hatte ich ein paarmal, mehr schlecht als recht gestrichen. Einige Stellen hatte ich freigelassen. Menschen die vor uns hier waren hatten die Wände besprüht und wunderschöne Wandgemälde geschaffen.   Eines zeigt  zwei Menschen die miteinander reden. Statt Köpfen haben sie TV-Geräte auf den Hälsen und schauen jeweils das Programm, das auf dem Bildschirm des anderen läuft. Mir gefiel das Graffiti damals sofort.  Ich lasse mich aufs Bett fallen und überlege wie es in Nordamerika nun weitergehen würde. Hin und wieder diktiere ich meinem Digitalen Assistenten ein Stichwort

Aufgeregte Rufe lassen mich hochschrecken. Ich war tatsächlich eingeschlafen. Draußen ist es schon dunkel. Mein Digitaler Assistent auf dem Kopfkissen blinkt. Während ich zum Fenster gehe um den Rufen auf den Grund zu gehen, piept mein Digitaler Assistent und teilt den Eingang einer Nachricht an. Ich öffne das Fenster und blicke hinaus. Auf dem Platz vor dem Gemeinschaftshaus sammelt sich eine Menschengruppe. Immer wieder deuten einzelne auf das Eingangstor und den Wald. Ich folge mit dem Blick in die gezeigte Richtung. Erst kann ich nichts erkennen. Nur langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Mehrere Lichtkegel tanzen durch den Wald, wie Funken eines Lagerfeuers aus nassem Holz. Sie entfernen sich von der Kommune. Ich meine aus dem Wald Schreie zu hören. Plötzlich ertönt ein lautes Zischen. Ein greller Funkenschweif schießt in die Luft. Mit einem Knall explodiert das Geschoss in der Luft. Eine rote Lichtkugel schwebt dicht über dem Wald und leuchtet das Gebiet aus. Nun kann ich die Umrisse von vielen Menschen im Wald erkennen. Wie auf ein Kommando beginnt es im Wald immer wieder zu blitzen und zu knallen. Ich kenne dieses Knallen nur zu gut. Wie in Trance greife ich zu einem Rucksack unter meinem Bett und beginne zu rennen. Die Holztreppe knackt unter meinen Füßen bedrohlich. Vom Lärm aufgeschreckt kommen auch andere aus ihren Zimmern und laufen hinter mir nach draußen. Auf dem Weg zur Ausgangstür werfe ich einen Blick auf den Bildschirm des Digitalen Assistenten. „Streuner im Wald. Wir fahren raus. Melde mich später.“, lese ich Lauras Nachricht. Als ich die Tür nach draußen aufstoße, ertönt die Sirene auf dem Dach des Gemeinschaftshaus. Drei lange Töne, gefolgt von zwei kurzen. Ein Signal das mehr als 10 Jahre nicht mehr ertönt war. Das Signal das vor einem Angriff warnt. Auf dem Platz laufe ich Lea und Hussein in die Arme. „Was ist denn los?“, frage ich über das Geheul der Sirene hinweg. „Wir waren mit ein paar Kindern im Wald um Pflanzen zu sammeln und sind auf mehrere bewaffnete Menschengruppen gestoßen. Die haben sich das Gelände angeschaut. Wir sind dann schnell zurück gelaufen. Offenbar waren das Späher.“, berichtet Lea. Die Sirene verklingt. Wieder höre ich Schüsse aus dem Wald. „War die Schutzgruppe die da raus ist bewaffnet?“ Hussein schüttelt mit einem schmerzlichen Blick den Kopf. „ Jedenfalls nicht mit Schusswaffen…“ Während des Gesprächs hatten sich andere Schutzgruppen versammelt und begannen mit den Notfallmaßnahmen. Zwei große Transporter wurden vor das offene Tor gefahren und mit den Stoßstangen aneinander geparkt. So war der Weg von draußen nach drinnen versperrt. Ich sehe wie aus einem dritten Lieferwagen eine Gruppe eine etwa drei Meter lange Kiste hebt und das darin verstaute Gerät auspackt. Es ist eine alte Drohne. Ein Überwachungsgerät aus dem Ende der 20er Jahre des Jahrhunderts. Eine Maschine die damals Aktivisten und Aktivistinnen überwachte und filmte. Mit einem tiefen Summer startet die Drohne und fliegt auf den Wald zu. Als ich ihr hinterher schaue, sehe ich die die ersten Menschen die aus dem Wald gerannt kommen. Einige stützen Verletzte. Zwei Schutzgruppen rennen ihnen entgegen. Auch ich verspüre den Drang ihnen entgegen zu laufen. Eine Stimme hinter mir hält mich davon ab. „Rick, kannst du mir mit der Technik helfen?“ Verdutzt drehe ich mich um. Neben der Kiste mit der Drohne steht Tom, ein alter Kampfgefährte. Über seine Arme hat er die Steuerapparatur für die Drohne gestülpt. „Jetzt schau mich nicht an als wär ich ein Baum. Ich will auf manuelle Steuerung umstellen. Aber ich brauche jemanden der die Kameras bewegt und einen Blick auf das Auge wirft.“ Sein Kopf ruckt kurz zu einem aufgeklappten Laptop auf der Ladefläche des Lieferwagens. Mit ein paar Kommandos aktiviere ich die Kameras und schwenke die Hauptkamera unter den Tragflächen auf den Wald. „Ich seh hier nur schwarze Umrisse!“, beschwere ich mich. „Du musst den Filter für Wärmeerkennung aktivieren. Da muss irgendwo ein Button sein.“, ruft Tom zurück und zieht die vor dem Oberkörper ausgestreckten Arme an seine Brust. Das Bild auf dem Schirm bleibt stehen. Die Drohne schwebt nun über dem Wald. Ich finde die Schaltfläche und drücke sie. Das Bild verschwimmt kurz. Dann zeigt es mehrere rote und orange Umrisse vor einem grauen Hintergrund. „Sehr gut!“, lobt Tom mich. Über einen Helm auf seinem Kopf sieht er das, was die die Kameras der Drohne übertragen. Mit ein paar Armbewegungen dreht er die Drohne.  Nun kann ich Gestalten auf dem Schirm erkennen,  die auf den Eingang zur Kommune zu gerannt kommen. Die Drohne schwebt über sie hinweg und blickt in den Wald. Das Bild auf dem Schirm verschwimmt wieder für ein paar Sekundenbruchteile. Tom erkennt vor mir, was die Drohne nun zeigt und stößt einen panischen Schrei aus.

Dieser Beitrag wurde unter Revolutionsromantik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.