Es ist einmal, in nicht all zu langer Zeit… III

Das Lagerfeuer brennt mittlerweile lichterloh. Flammen lodern am trockenen Holz hinauf. Es wirkt als würden sie gierig nach den Ästen greifen. Einen Augenblick überlege ich, wie ich das was ich sagen möchte, ausdrücken soll. Dann entscheide ich mich es so zu sagen wie es mir in den Sinn kommt. Vanessa und Kilian werden es sicher verstehen. „Diese Menschen die gegen andere Hetzten fingen an sich zu organisieren, sie gingen zu Gruppen die es bereits gab oder gründeten neue. Die Medien sprachen damals von „unzufriedenen Jugendlichen“ oder „perspektivlosen Menschen“. Diese Gruppen griffen dann die Häuser an in denen Geflüchtete aus anderen Ländern wohnten. Sie warfen Steine und Brandsätze. Schon in den Jahren vorher gab es immer wieder Tote durch diese Gruppen. Aber ab da wurden es immer mehr. Und selbst zu diesem Zeitpunkt wollten das viele Menschen nicht sehen oder empfanden heimlich Freude darüber. Das Internet war damals voll mit Kommentaren die solche Taten feierten. Es wurde zur Normalität das so etwas passierte.“ Ich spüre Lauras Hand an meiner Hüfte. Sie verkrampft sich. Kilian blättert eine weitere Seite um. „Was sind das für Meschen da?“. fragt er. Ich beuge mich leicht vor um das Bild zu erkennen. Im Schein des Feuers wirkt es so als würden sich die Gestalten auf dem Bild bewegen. „Das war ein Aufmarsch dieser Gruppen die Hass schürten.“ Vanessa schaut auf das Bild und dann wieder zu mir und Laura. „Aber das sind da doch Polizisten auf dem Bild oder? Wieso tun die nichts gegen die Hetzer?“ Das Bild zeigt eine faschistische Demonstration, mehrere Tausend auf einem Platz in einer großen Stadt, Polizei die sie von den Gegendemonstranten trennt. Aber wie soll ich das erklären? Ich schweige. Laura springt ein. „Es damals hier Gesetze die allen erlauben sollten ihre Meinung sagen zu dürfen. Das durfte man allerdings nur wenn man das richtige meinte. Mit dem Argument das die Meinung dieser Menschen auch gesagt werden müsse, wurden ihre Aufmärsche erlaubt und auch davor geschützt das Menschen verhindern wollten das sich diese Menschen versammeln. Diese Gruppen nannte man „Nazis“, ein noch älterer Begriff dafür war Faschisten. Ihre Gegener, zu denen Rick und ich damals gehörten nannten sich Antifaschisten. Antifaschisten versuchten immer wieder die Nazis zu stören und ihren Einfluss zu minimieren.“ Laura blickt mich an und ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Kilian blättert weiter während Vanessa wieder ihren Digitalen Assistenten zu Rate zieht. „Assistent, zeige mir Informationen zu Nazis!“ Auf dem Display erscheint ein Text und ein Bild  das auch ich als Kind schon gesehen habe. Es zeigt einen untersetzten Mann mit kantigen Gesichtszügen, kaltem Blick und einem Oberlippenbart. „Hier steht das die Nazis am Anfang des letzten Jarhunderts an der Macht waren. Wie kann es dann sein das die immer noch da waren?“, fragt sie uns. „Darf ich?“, frage ich zurück und deute auf das Gerät. Sie aktiviert die Spracherkennung und hält mir das Gerät hin. „Assistent, zeige Informationen zu Neonazis, NSU und Bürgerinitiativen.“ Das Gerät braucht einen Moment. „Das gefundene Material enthält rassistische und gewaltverherrlichende Inhalte. Trotzdem anzeigen?“ Vanessa tauscht einen Blick mit uns. „Ja.“ Sagt sie dann und beginnt zu lesen. Kilian hat inzwischen ein weiteres Foto gefunden das seine Aufmerksamkeit erregt hat.  Er hält das Album hoch. „Die werfen da mit Papier!“, sagt er und lacht. „Das ist nicht nur Papier, das sind Stimmzettel!“, antwortet Laura scharf. „Die Nazis haben damals aufgerufen Wahllokale zu besetzen um zu verhindern, dass die Menschen die Regierung abwählen konnten.“ Eingeschüchtert schaut Kilian Laura an. „Entschuldigung, dass ich so aggressiv reagiert habe.“ Mein Blick wandert zum Feuer. Meine Erinnerungen an diesen Tag sind so düster wie der Rauch, der über dem Feuer aufsteigt. „Die Nazis haben so viele Wahllokale besetzt und angegriffen und Wahlurnen angezündet das die Wahl damals tatsächlich ungültig war. Es dauerte Monate bis im Parlament, dem Ort wo die gewählten Vertreter der Menschen saßen wieder diskutiert werden konnte wie es weitergehen sollte. In der Zwischenzeit hatten die Nazis weiter Menschen angegriffen, andere Parteihäuser attackiert und mehrere gewählte Vertreter getötet. Auch von uns Antifaschisten wurden mehrere auf offener Straße erstochen und so schwer verprügelt das sie starben. Wir trauten uns nur noch in Gruppen und bewaffnet auf die Straße. Die Angst der Menschen wurde so groß, dass sie nur noch wollten, dass diese Situation aufhörte. Egal wie. Im Parlament wurde daraufhin über ein Gesetz abgestimmt das noch mehr Grundrechte einschränkte und der Polizei mehr Befugnisse gab. Das Gesetz wurde überall gefeiert.“ Kilian und Vanessa schauten uns an. „Und was passierte dann?“

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