Gesamtscheiße

Der folgende Text ist als Gedankenentwicklung –entfaltung zu verstehen. Gedankensprünge bitte ich zu entschuldigen.

 

Vor einiger Zeit habe ich über die Gesamtscheiße geschrieben und am Beispiel einer niedersächsischen Kleinstadt skizziert was die Bedrohung durch Nazis und Stress und Missachtung von Cops und Bürgern mit Aktivist_innen machen kann.

In der letzten Zeit hatte ich immer wieder Momente, in denen ich an mir selber eine enorme Verbitterung und Wut beobachtet habe.

Die Nachrichten über das, was ich als „Gesamtscheiße“ bezeichne, verfolge ich täglich. Das finde ich wichtig. Jeden Tag passieren Dinge, die Menschen unterdrücken, angreifen, oder töten. Dinge, die aus der Gesellschaft heraus passieren, Dinge die von Staat und Staatsmacht begangen werden. So zum Beispiel die Zwangsräumungen in Berlin. Durch die Aufwertung der Kieze in Berlin steigen die Mieten ins Unermessliche. Viele Menschen können sich die Mietsteigerung nicht leisten. Aber statt sich zu beugen, leisten sie Widerstand. Sie weigern sich Mieterhöhungen hinzunehmen und nehmen im Kauf notfalls zwangsgeräumt zu werden. Dagegen hat sich ein Bündnis formiert, dass versucht mit zivilen Ungehorsam solche Räumungen zu verhindern. Eine solche Räumung gab es auch Ende dieser Woche. Die schwer kranke Rosmarie sollte geräumt werden. Ein ärztliches Attest, wonach eine Räumung beim aktuellen Gesundheitszustand unzumutbar wäre, wurde ignoriert. Rosmarie wurde trotz Widerstand geräumt. Zwei Tage nach der Räumung verstarb sie in einer Berliner Kältestube.Eine Demonstration zu ihrem Gedenken wurde von den Cops angegriffen, eine Person bewusstlos geschlagen und in Gewahrsam genommen, mehrere andere Aktivist_innen durch Pfefferspray verletzt.

Gestern fand zum Auftakt des NSU-Prozess eine fette antifaschistische Demo in München statt. Noch vor der Demo nahm die Polizei einen Refugee fest, weil er zur Demo nach München gekommen war und damit gegen die Residenzpflicht verstoßen hatte. In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurden die Scheiben des bayrischen Flüchtlingsrats eingeworfen.

Wenn ich täglich so etwas lese, erzeugt das bei mir ein kaltes Stechen im Herzen. Dort wo eine Flamme lodert, eine Flamme die mich antreibt und meine Träume und Visionen von einer besseren Welt nährt. Dieses kaltes Stechen legt sich wie Eis auf die Flamme und scheint sie zeitweise zu ersticken. Aber wenn das Stechen vergeht, lodert die Flamme noch stärker als zuvor.

Trotzdem stellt sich für mich die Frage, wie wir mit der Repression umgehen. Uns ist schon längst klar, was Gerichte von Zeit zu Zeit immer wieder feststellen: Die staatliche Repression ist immer wieder rechtswidrig, verstößt gegen die Gesetzte die sich der vermeintliche Rechtsstaat auferlegt hat. Und trotzdem versucht es der Staatsapparat immer und immer wieder.  Egal ob verbotene oder niedergeknüppelte Demonstrationen, Räumungen oder Abschiebungen.

Mancher wird jetzt sagen: „Dann geht doch gerichtlich dagegen vor!“  – Das machen wir ja auch. Aber gerichte können oft nur im Nachhinein über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit entscheiden. Den bereits angerichteten Schaden macht keine Gerichtsentscheidung wieder gut. Insbesondere dann, wenn wir wissen, dass eine Gerichtsentscheidung uns nicht vor der diesem Staat schützt.
Also vertrauen wir auch erst gar nicht auf diesen Staat und müssen selber Handlungsweisen entwickeln. Wir müssen lernen damit umzugehen, dass Cops immer gewalttätig sind. Kein  „Wir sind friedlich, was seid ihr“ wird daran etwas ändern. Wir müssen uns zur Wehr setzen, selber aktiv werden. Wenn Cops eine Demo zerschlagen wollen oder Leute festnehmen, reicht es nicht den EA zu informieren. Wir müssen es ihnen dann so schwer wie möglich machen. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir so oder so im Fadenkreuz der Repressionsorgane stehen. Ihre Vorwürfe reichen dabei von „schwerer Eingriff in den Straßenverkehr“ über „Nötigung“ bis hin zum „Widerstand gegen Polizeikräfte oder „Körperverletzung“ “ Wir müssen verstehen, dass dies nur variable Waffen  des Staats sind.

Wie abstrus die Repression mittlerweile ist, zeigen die beiden Schauprozesse gegen Timm und Lothar. Was Timm widerfuhr habe ich hier beschrieben.

Lothar König, ein Pastor aus Jena wird vorgeworfen einen schwarzen Block zu einem Angriff auf eine Polizeikette beim Protest gegen den Nazi-Aufmarsch in Dresden aufgestachelt zu haben. „Aufstachelung zum schweren Landfriedensbruch“ nennt der Staat das. Lothar leistet seit mehreren Jahrzehnten Widerstand gegen Nazis in Jena. Gerade Jena, aus dessen Nazi-Szene die NSU hervorging. Lothar hat sich in der Vergangenheit immer wieder für Gewaltfreiheit ausgesprochen. Nun wird ihm Aufstachelung zu Gewalt vorgeworfen. Auch in diesem Fall gibt es einige Absurditäten. So zum Beispiel, dass die Durchsuchung seiner Diensträume, in denen er auch als Seelsorger arbeitet, in seiner Abwesenheit von sächsischen (!) Polizeibeamten auf den Kopf gestellt wurden. Jena liegt in Thüringen! Die sächsische Polizei hat einfach mal das Gebiet ihrer Zuständigkeit auf ein anderes Bundesland ausgeweitet um die Durchsuchung durchzuführen.

Dieser Beitrag wurde unter General veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.