BlockupyHH: Hafencity entern – Beobachtungen und Eindrücke

„Nach einer linksgerichteten Demonstration ist es am Sonnabend in Hamburg zu Ausschreitungen gekommen.“

So beginnt der NDR die Berichterstattung zur gestrigen Blockupy-Demonstration in Hamburg.
Ich seufze und trinke noch einen Schluck Kaffee. Die rechte Schulter schmerzt dabei noch ein bisschen. An der Stelle wo mich ein Polizeiknüppel traf ist ein dunkelblauer Fleck entstanden.

„Nach Ende der friedlichen Demo wurde die Polizei nach eigenen Angaben aus einer Gruppe von 150 Linksextremisten heraus mit Böllern beworfen. Daraufhin wurden Schlagstöcke und Wasserwerfer eingesetzt. Insgesamt seien drei Beamte leicht verletzt worden. Auch mindestens ein Demo-Teilnehmer musste von Rettungskräften behandelt werden“

Hamburg Hauptbahnhof 12:30 Uhr:
Auf dem Platz sammeln sich nach und nach Aktivist_innen aus verschiedenen Gruppen und Kontexten. Tierbefreiungsaktivist_Innen, Antifas, Antikapitalist_innen, Parteijugenden, Vertreter_innen der Partei Die Linke, der SAV. Anfänglich erstaunlich wenig, wie der Reisegruppe mit der ich unterwegs bin auffällt. Viele bemalte Regenschirme sind dabei. Die Transparente weisen auf unterschiedliche Kämpfe hin. „Nationalismus ist keine Alternative“, Antikapitalistische Parolen, Anti-Gentrifizierung. Auch die Kämpfe der Refugees für ein uneingeschränktes Bleiberecht werden thematisiert. Schließlich setzt sich bei strahlender Sonne ein farbenfroher Demonstrationszug in Bewegung. Abseits der üblichen Black Block-Demos mit Kapuzen, Sonnenbrillen, Halstüchern und verknoteten Seitentransparenten demonstrieren schließlich zwischen 2.500 und 3.000 Menschen in Hamburg unter dem Titel „Hafencity entern – Elbphilharmonie besichtigen.“
Denn ausgerechnet am gleichen Tag hatte die Stadt Hamburg zur Besichtigung des neuen Prestigeprojekts am Hafen eingeladen. Vom Bahnhof ging es über die Mönckebergstraße, vorbei an den shoppenden Hamburger_innen und Tourist_innen zum Gänsemarkt. Mitten durch ein Spalier Handykameras. Ein surreales Bild. Auf der Straße mehrere Tausend Menschen die den Zuschauer_innen am Rande „Leute lasst das glotzen sein, reiht euch in die Demo ein“, „A Anti Antikapitalista“, „Saufen Saufen, Fressen Fressen und den Rest der Welt vergessen oder „Leute lasst das shoppen sein, steckt die Sachen einfach ein“ zuriefen. Einer teuer gekleideten älteren Frau am Rande fiel bei diesem Spruch vor Schreck die Plastiktüte eines teuren Modelabels aus der Hand. Ohne Zwischenfall passierte die Demo das Polizeipräsidium und blieb schließlich nach Rufen vor der Handelskammer stehen. Eine Person am Rande hatte offenbar eine Flasche auf die Demonstration geworfen. Cops waren in die Demo gerannt und hatten die beworfene Person vorübergehend in Gewahrsam genommen. Wie mir zu Ohren kam entschuldigten sich die Cops schließlich und nahmen die angreifende Person fest. Dass es sich bei der angreifenden Person um einen Nazis gehandelt hatte, konnte ich im nachhinein nicht feststellen. Nach kurzen Verhandlungen, währenddessen die Demo von den Cops abgefilmt wurde, zog die Demo weiter Richtung Hafencity. Wer glaubt in der Mönckebergstraße und am Gänsemarkt schon den Prunk dieser Stadt gesehen zu haben, wird sich wundern. Die Demo lief vorbei an den Tourist_innenattraktionen Hamburger Dungeon und Miniaturwunderland in eine Welt aus fein herausgeputzten Hamburger Speichern. Die Glaserinnung hat hier ganze Arbeit geleistet. Die ursprüngliche Abschlusskundgebung an den Marco Polo-Terrassen wurde durch die Cops untersagt. So endete die Demo ironischerweise am Grasbrook. Der Elbinsel auf der Einst der Freibeuter Claus Störtebeker hingerichtet wurde, der schon im Mittelalter das mit der Umverteilung der Güter und des Kapitals vorantrieb.
Der Zugang zur Elbphilharmonie wurde den Demonstrationsteilnehmer_innen durch mehrere Ketten Cops versperrt. Mehrere Finger formierten sich und versuchten einen Durchbruch, den die Cops mit roher Gewalt, (Holz)knüppeln und Pfefferspray zurückzudrängen versuchten. Als die Cops schließlich zwei Wasserwerfer auffuhren und einsetzten explodierten mehrere Böller und Feuerwerk.
Nach einigem hin und her gelangten schließlich Aktivist_innen auf das Gelände der Elbphilharmonie und konnten auch dort ihren Protest zeigen. Neben Transparenten gab es auf dem Gelände auch eine Sitzblockade.
In Zahlen: Laut Ermittlungsausschuss 13 vorrübergehende Ingewahrsamnahmen, mindestens eine schwer verletzte Person, mehr als 10 verletzte Personen durch Pfefferspray und Knüppel (eigene Beobachtung).

Im Vorfeld hatte ich mir einige Gedanken gemacht. Sicher, der Blockupy-Protest ist wichtig, aber ich hatte Bedenken wegen einer Eskalation durch die Cops wie am 21.12 in Hamburg oder den Blockupy-Protesten in Frankfurt in den letzten zwei Jahren. Auch wenn das Szenario diesmal ein anderes war.
Auch wenn ich den Black Block-Demos in mit ihrem Auftreten und den dadurch möglichen Aktionen und Handlungsformen einiges abgewinnen kann und sie wichtig finde, gefiel mir das bunte und offene auftreten in diesem Demonstrationskontext sehr. Gerne mehr davon!
Mehr Infos zu #BlockupyHH:Blockupybündnis Hamburg, Twitter, Bericht von graswurzel.tv, Bericht und Bilder von HH-Mittendrin

 

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