Lampedusa, Rassisten, Frontex, Brandanschläge – Deutscher Herbst 2013

In den letzten Tagen hat sich bei mir im Kopf wieder einiges angesammelt. Einiges, dass raus muss. Das ich in Worte fassen will. Schon wieder Rassismus, schon wieder ein Text über Nazis und Deutschland und Europa. Schon wieder Gesamtscheiße.

Die zentrale Frage, die sich mir in den letzten Tagen stellte ist folgende: „Gibt es in den letzten Monaten einen steigenden Rassismus in der Gesamtbevölkerung und eine steigende Zahl von Angriffen durch Nazis auf Geflüchtete, oder wird einfach mehr darüber berichtet?

Im NDR Info-Radio wurde vor ein paar Tagen berichtet, dass jeder fünfte Mensch „mit türkischen Wurzeln“ (O-Ton) schon einmal einen rassistisch motivierten Übergriff erlebt hat. Im gleichen Atemzug wurde aber auch erwähnt, dass die Zahl der Übergriffe abgenommen hat.

Betrachtet man das Thema mit etwas Abstand, kann man sicher sagen, dass die Medien seit dem Auffliegen der NSU eine gewisse Sensibilität für Rassismus und rassistisch motivierten Übergriffen entwickelt haben. Auch kleine Zeitungen etc. berichten nun von Angriffen und ziehen Schlüsse die auf organisierte Nazis hindeuten.

Trotzdem die Frage: Werden es mehr?

Das Auffliegen der NSU hat nach meiner Wahrnehmung viele Menschen für die Gefahr und Taten organisierter Nazigruppen sensibilisiert. Ich höre weniger Aussagen das das doch Einzeltäter sein. Die Tatsache, dass es diese Gruppen gibt. Das sie irgendwo agieren und Dinge tun kann schwerlich geleugnet werden.

Im Rahmen des Wahlkampfes in Niedersachsen und später auch im Bundestagswahlkampf wurde die Hetze gegen Geflüchtete wieder sehr laut. Ein Innenminister Friedrich, der wieder in der 92’er „Das Boot ist voll“-Rhetorik spricht und damit in das Horn der NPD bläst.  Nun, das ist nichts neues. Das gab es 1992 schon, dass gab es 2011 schon (Seehofer „bis zur letzten Patrone„). Alle Jahre wieder werden diese vorbereiteten Reden herausgekramt und abgespielt. Dabei ist die Art dieser Reden immer die gleiche.

Einerseits wird Deutschland als Gastfreundliches Land dargestellt (You remember „Die Welt zu Gast bei Freunden?). Die Geflüchteten und potentiellen Einwanderer werden klassifiziert. In jene, die Arbeiten wollen und können, zumeist Akademiker und sog. Fachkräfte und anderseits vermeintliche die das Sozialsystem ausnutzen wollen. Hier wird also zwischen dem produktiven, ergo für Deutschland  wertvollen und dem unproduktiven, ergo wertlosen Menschen differenziert. Ganz schnell wird auch immer wieder verlangt, dass sich die Menschen die her herkommen an die deutschen Regeln und Gesetze zu halten haben. Andernfalls drohe ihnen die Abschiebung.  Töne die man bei der CDU („Intensivstraftäter abschieben“) genau so hört wie bei der NPD („kriminelle Ausländer raus“) Das sind Debatten die in den letzten fünf Jahren bereits geführt wurden. In den gerade vergangenen Wahlkämpfen gab es den Versuch die Sinti und Roma zum Politikum zu machen. Friedrich hatte schon im Oktober dazu einen Versuchsballon gestartet. Im April 2013 folgte dann eine Forderung an die EU gegen „Armutseinwanderung“ vorzugehen. Allein der Begriff zeigt schon die Widerlichkeit. Auf der Welle dieser Rhetorik reiten natürlich auch Nazis und Rassisten. Die Ereignisse in Duisburg um die Unterkunft „in den Peschen“ sei hier als Beispiel genannt, wo Naziparteien, Nazigruppen und „besorgte Anwohner“ plötzlich einen Schulterschluss vollziehen, antirassistische Aktivist_innen nachts vor dem Haus wachen, wo es Drohungen und Angriffe gibt.

In den letzten Wochen nun kommt die mediale Aufmerksamkeit um die Flüchtlinge hinzu, die über das Nadelöhr Lampedusa die Flucht nach Europa wagen. Die auf kleinen Booten, auf engstem Raum, häufig ohne Nahrung nach Europa fliehen. Die zu Hunderten elendig verrecken, weil Europa die Grenzen schließt, sich einzäunt und eine private Sicherheitsagentur namens Frontex damit beauftragt diese Flüchtlinge zu stoppen. Auch das ist nichts neues, das Unglück vor wenigen Tagen, dass medial für Aufsehen sorgt, führt nun zu einer vorsichtigen politischen Debatte.

Es gibt wieder so etwas wie eine Krise, eine Unzufriedenheit, die durch die immer weiter aufgehende soziale Schere gespeißt wird. Immer mehr Menschen die geringfügig beschäftigt sind, die mehrere Jobs brauchen um zu überleben, die immer länger arbeiten müssen, während der Standort Deutschland, die deutschen Firmen Gewinne schreiben.

So ist es einfach auf die Armen zu zeigen und sie als die Schuldigen darzustellen und die Notwendigkeit der Abschottung hervorzuheben. Dabei wird gekonnt verschleiert, dass der Luxus und Wohlstand in dem Europa sich sonnt, auf dem Rücken eben jener entsteht, die Europa hier ausschließt, sie tötet.

Die Ausgaben der EU für Frontex steigen rasant.

Das Frontex-Budget setzt sich aus Beiträgen der Schengen-Mitgliedstaaten sowie in einzelnen Jahren Beiträgen NorwegensIslandsIrlands und demVereinigten Königreich zusammen. 2005 verfügte die Agentur über 6,2 Millionen Euro, 2006 über 19,2 Millionen Euro, 2007 über 22,2 Millionen Euro und 2008 über 70 Millionen Euro zuzüglich eines Reserve-Budgets von 13 Millionen Euro.[27] Für 2009 bis 2011 liegt das Budget jährlich bei ca. 88 Millionen Euro.[28] Frontex verfügt zur Erfüllung ihrer Aufgaben über 20 Flugzeuge, 25 Hubschrauber und 100 Boote.[29]

Neben dem Versuch über den Seeweg nach Lampedusa zu kommen, gibt es an anderen Stellen auch immer wieder Massenanstürme auf die Festung Europa. So zum Beispiel vor einigen Tagen an der spanischen Küste. 

Während hunderte, tausende beim Versuch sterben Europa zu erreichen, gibt es nur wenige die die Flucht schaffen. Ihre Schicksale sind kaum bekannt. Die Geflüchteten der sogenannten „Lampedusa-Gruppe“ in Hamburg geben sich und all den anderen ein Gesicht. Sie heben sich damit aus der Anonymität der Todeszahlen, die abendlich in den Medien genannt werden und schildern ihr Schicksal. Dadurch erfahren sie mittlerweile eine breite Unterstützung. Der Hamburger Senat tut durch die angeordneten rassistischen Kontrollen ein übriges um den Widerstand zu mobilisieren. In diesen Tagen kommt es zu andauernden Protesten: (Spontan-)Demonstrationen, Zivilen Ungehorsam, direkten Aktionen. Und es sieht nicht so aus, als würde der Protest aufhören.

Ein Grund zur Hoffnung? Alles gar nicht so schlimm, schließlich bekommen die Flüchtlinge ja Unterstützung und Spenden?

 

In den letzten Tagen gab es mehrere Anschläge und Aktionen gegen die Unterkünfte von eben jenen Gruppen, gegen die gehetzt wird.

 

Das sind die Ereignisse der letzten Tage. Zumindest die, welche mir in Erinnerung geblieben sind.

Es ist Zeit, dass wir dem ein Ende machen! No border no nation! Kein mensch ist illegal! Keine ruhige Minute für Rassisten und Faschisten, egal ob in Anzug, Uniform oder schwarzem Hoodie!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag wurde unter General veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.