Es ist einmal, in nicht all zu langer Zeit…

Gedankenverloren trenne ich mit der Kneifzange die verflechteten Drahtstücke vom Zaun. „Wie viel braucht ihr denn?“, frage ich. Kilian ist gerade sechs geworden und will mit den Kindern aus der Gemeinschaft am Abend basteln. „So viel das jeder eine Figur machen kann:“, sagt er und schaut mir zu. Ich knipse munter weiter.  „Was war das eigentlich?“, fragt er mich. Ich blicke auf. „Das war ein Zaun, damit haben Leute früher das Land, dass ihnen gehörte abgesteckt, damit niemand da drauf konnte.“ Kilian schaut mich mit großen Augen an. „Es gab mal Land, dass Menschen alleine gehörte?“ Ich höre auf und setze mich neben ihn. „Ja, das nannte man Eigentum. Die Leute haben früher einen Wettbewerb daraus gemacht. Die denen das meiste gehörte waren die besten. Die anderen haben sie dafür bewundert.“ Kilian lacht. „Das ist doch total doof. Da hatten doch die anderen dann gar nichts von.“ Ich lege die Kneifzange beiseite und lehne mich zurück. „Viel schlimmer“, sage ich dann. „Die anderen hatten dadurch dann immer weniger.“  Kilian legt sich neben mich. „Diese Zäune standen früher auch am Rand der Länder.  „Du meinst Gebiete, oder?“ Ich überlege kurz. „Ja, eigentlich Gebiete. Aber früher haben die Leute das was sie als ihr Gebiet gesehen haben eingezäunt. Das nannte man dann auch Nation.“ „Und da konnte man dann nicht einfach durchgehen?“ Ich seufze. „Nein, man musste ein Stück Plastik vorzeigen auf dem stand wo man wohnte, wie man heißt und zu welchem Land man gehörte. Sogar ein Geschlecht das einem zugewiesen wurde. Wenn man aus einem Land kam das die Leute nicht mochten, dann konnte man da nicht hinein.“ Kilian zieht eine Grimasse. „Es gab sogar Nationen die Mauern aus Steinen und Beton um ihr Gebiet gebaut haben und die Leute die darin lebten nicht raus gelassen haben.“ Ein lautes Glockenklingeln unterbricht mich bei meiner Erzählung. „Ah, Essen! Kommst du mit?“, frage ich den Jungen. „Ich hole Vanessa noch aus der Werkstatt ab. Erzählst du mir beim Essen weiter von früher?“ Mein Blick schweift über die Wiesen am Rande der Gemeinschaft und bleibt am Zentralhaus hängen. Von überall strömen die Menschen nun dort hin. „Ja gerne.“

Ich winke Kilian hinterher und betrete das Zentralhaus, ein langes Gebäude mit großen Fenstern und einem hohen Dach. Was Kilian wohl sagen würde, wenn ich ihm erkläre, dass das mal eine Halle war in der Hühner in Massen gehalten wurden? Am Eingang ziehe ich ein Kärtchen mit einer Nummer aus einer großen Box und stelle erfreut fest, dass sie gerade auf der großen Anzeigetafel über dem Tresen angezeigt wird. Ich schlängle mich an den langen Tischen vorbei nach vorne und nehme Besteck aus einem Eimer. Den Freiwilligen hinter der Theke gebe ich mein Kärtchen und bekomme dafür einen Teller voll mit Reis und Gemüse. „Na Rick, braucht ihr noch Material fürs basteln?“, fragt mich Janine, ein Mensch aus dem Wohnhaus nebenan. „Wir haben einen alten Zaun zerlegt, aber wenn wir noch anderes Altmetall finden würden wär das super!“, antworte ich während ich mir Saft einschenke. „In der Garage stehen noch Reste von alten Autos. Viele Teile sind schon ausgebaut“ Ich lächle. „Danke für den Tipp!“ Dann suche ich Kilian. Er sitzt an einem Tisch an der Tür zwischen anderen Kindern und einigen Jugendlichen. Ich setzte mich dazu. Sie teilen sich zwei Teller mit Essen, während sie darauf warten das ihre Nummern angezeigt werden. „Rick hat mir eben von früher erzählt“, sagt Kilian. „Erzähl weiter!“, fordert er mich auf. Ich schiebe meinen Teller in die Tischmitte und beiße in ein Stück Paprika. „Ich hab Kilian eben erzählt, dass es früher Zäune gab die Menschen daran hindern sollten auf Gebiete zu gehen die einzelnen Menschen gehörten. Janine meinte eben zum basteln können wir nachher auch noch Autoteile nehmen, die keiner mehr braucht. Könnt ihr euch vorstellen das früher fast jeder ein Auto hatte?“, frage ich die Kids. „Echt?“ „Das muss aber ganz schön gestunken haben!“ Ich muss lachen. „Oh ja, das hat es! Die Leute sind alle in ihren eignen Autos gefahren statt zusammen zu fahren.“ „War das nicht total langweilig?“, fragt mich Vanessa. „Ja total! Aber vor allem musste man häufiger in Autoschlangen stehen bleiben. Das nannte man Staus. Weil es so viele gab wurde im Radio dann immer durchgesagt wo gerade welche waren. Die vielen Autos haben die Städte total verstopft.“ „Das ist die Nummer die ich habe!“, sagt Kilian und springt auf. Meine Gedanken schweifen zurück. Staus, Ampeln, die ganze Hektik, Verkehrskontrollen. So viel überflüssiger Kram. „Früher sind Autos noch nicht mit Biomüll und Sonnenenergie gefahren.“, lasse ich dann die nächste Überraschung für die Runde platzen. Große Augen starren mich gespannt an. Ich lege eine künstlerischen Pause ein. „Früher fuhr man mit Benzin, das wurde aus Öl gewonnen!“ Leises tuscheln folgt. „Aus Öl? Aber das ist doch total wertvoll!“, sagt Vanessa entrüstet. „Als ich so alt war wie ihr hatte ein Liter Öl in etwa den Wert von zwei Flaschen Saft.“, sage ich und halte mein Glas hoch. „Aber wollen wir nicht erstmal essen? Ich erzähl euch nachher beim basteln weiter,okay?“

Wird fortgesetzt.

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